Kreis Südliche Weinstraße
Bauernhof statt Klassenzimmer
Gut Hohenberg in Queichhambach ist jetzt in Schülerhand. Die Landauer Montessori-Schule hat den Lernbauernhof gekauft und einiges damit vor. Hofladen, mobiler Hühnerstall und Solidarische Landwirtschaft sollen schon bald verwirklicht werden. Und die Kinder werden dabei eine ganz besondere Rolle spielen.
Von Judith Hörle
Queichhambach/Landau.Stall ausmisten statt Hausaufgaben, Äpfel ernten statt Videos auf Tik Tok hochladen, gemeinsam übernachten mit Freunden statt im eigenen Kinderzimmer. Wer die siebte und achte Klasse der Landauer Montessori-Schule besucht, wird schon bald eine Woche pro Monat nicht mehr in der Schule und zu Hause verbringen, sondern auf dem Bauernhof. Die Privatschule hat Gut Hohenberg in Annweiler-Queichhambach gekauft, am Dienstag war offizielle Schlüsselübergabe. Damit erfüllt sich die Schule einen langersehnten Traum. Denn das Betreiben einer Farm ist ein zentrales Element der Montessori-Pädagogik, das auf drei Säulen fußt: Die Jugendlichen betreiben Landwirtschaft, vermarkten ihre Produkte und führen ein Gästehaus. So tragen sie den theoretischen Unterricht in die Praxis.
Ja, richtig gelesen, die Schüler kommen nicht nur für Ferien auf dem Bauernhof vorbei, sondern schlüpfen selbst in die Rolle des Hofbetreibers. So weit es ihnen möglich ist, natürlich. Die bisherigen Hof-Mitarbeiter bleiben an Bord, halten das Gut am Laufen und sind gefragt, sich mit neuen Entwicklungsideen einzubringen, versichert Schulleiter Stephan Haas. Überhaupt gehe es der Schule um ein gutes Miteinander aller Beteiligten – auch mit den Menschen aus dem Ort. Deswegen hatten sich die Schulvertreter auch in der jüngsten Ortsbeiratssitzung vorgestellt. Doch dort wurden gleich skeptische Stimmen laut. Die Anwohner befürchten, dass ständig Autos zum Hof fahren und die Straßen zugeparkt werden. Aber Haas beruhigte: „Durch die Landauer Schüler wird sich der Individualverkehr nicht vermehren.“
In den nächsten Monaten soll ein Übernachtungstrakt mit etwa 40 Betten für die Montessori-Schüler gebaut werden. Die vorhandenen Schlafmöglichkeiten im Hauptgebäude werden für externe Schulen benötigt, die weiterhin Aufenthalte auf dem Hof buchen können. Die Klassen, die dann wochenweise auf dem Hof sind, reisten per Bahn, Bus oder Fahrrad an, kündigt Haas an. Lediglich, wenn der Hofladen eröffnet ist, sei mit mehr Besuchern zu rechnen. Aber den Wunsch nach einem Hofladen hätten die Queichhambacher auch in der Sitzung geäußert. Ebenso wünschen sich örtliche Erzeuger, ihre Produkte dort mitanbieten zu können. Eine gute Idee, wie Haas findet. Bis Ende des Jahres möchte die Schule einen Hofladen eröffnen, in dem die Schüler dann hinter dem Verkaufstresen stehen.
Dies ist eine von vielen Ideen des neuen Eigentümers, um die Finanzsituation des Hofs zu verbessern. Denn bislang war der Lernbauernhof ein Zuschussgeschäft. Rund 100.000 Euro jährlich musste die Stiftung Ökologie und Landbau (SÖL) mit Sitz in Bad Dürkheim zuschießen. Weil sie aufgrund der anhaltenden Niedrigzinspolitik in finanzielle Schieflage geraten war, hatte sie sich dazu entschlossen, den Hof zu verkaufen. Zwar hatte sich so mancher gewünscht, dass die SÖL mehr Energie in den Erhalt des Hofs in Stiftungshand steckt, aber letztendlich waren alle glücklich über die Partnerwahl. Die Montessori-Schule ist schon lange mit dem Hof verbunden, verfolgt das gleiche Ziel, junge Menschen an die Natur heranzuführen, und möchte den Hof im bisherigen Geiste weiterführen. „So ist bei diesem Abschied ein wenig Wehmut dabei, aber es überwiegt die Freude und Zuversicht, dass es dadurch eine Fortführungsperspektive für den Hof gibt“, sagt Stiftungsvorstand Uli Zerger. Eine Mischung aus Altbewährtem und neuen Gedanken sei ein guter Nährboden, findet er.
Und neue Konzepte gibt es einige. So will die Schule neben dem Hofladen auch die Mitarbeiter-Idee eines mobilen Hühnerstalls aufgreifen. Zudem soll bis Jahresende eine Solidarische Landwirtschaft angestoßen werden. Eine Solawi ist eine Organisationsform in der Landwirtschaft, die auf dem Gemeinschaftsgedanken basiert. Dabei schließt sich ein Bauernhof mit einer Gruppe von Privatleuten zusammen. Die Verbraucher verpflichten sich, einen festgesetzten monatlichen Betrag an den Betrieb zu zahlen und bekommen dafür Erzeugnisse des Hofs. Oft gibt es auch Mitmach-Tage, bei denen die Leute auf dem Hof helfen. Alle teilen sich so Verantwortung, Risiko, Kosten und Ernte. Das Konzept entstand in den 1960er-Jahren in Japan und ist mittlerweile weltweit verbreitet.
„Ja, wir haben noch ein großes Sträußchen an Arbeit vor uns“, weiß Schulleiter Haas. Aber die ganze Schulgemeinschaft samt Eltern stehe hinter dem Projekt und freue sich, mitarbeiten zu können. Aktuell gebe es Abstimmungsgespräche, und es würden Konzepte entwickelt. Der Hofbetrieb laufe ganz normal weiter, ebenso die ansässige Bauernhof-Wald-Kita. Projektweise seien Montessori-Schüler schon vor Ort. Nach den Herbstferien sollen auch wieder Aufenthalte andere Schulen möglich sein, wenn sich die Corona-Lage nicht verschärft. Ab dem Frühjahr 2021 sollen auch Pädagogik- und Montessori-Kurse für Erwachsene auf dem Hof angeboten werden.
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Pfälzer Tageblatt – Nr. 205 |
Datum | Donnerstag, den 3. September 2020 |
Seite | 17 |