Kreis Südliche Weinstraße

Klassenzimmer im Gemüsegarten

Seit einem Jahr ist die Landauer Montessori-Schule Bauernhofbesitzer. Viel ist in dieser Zeit schon auf Gut Hohenberg in Queichhambach passiert. Nach den Herbstferien werden die Schüler auch beginnen, selbst hergestellte Lebensmittel im neuen Hofladen zu verkaufen. Und nicht nur dort.

Von Judith Hörle 
Queichhambach/Landau. Rund um den mobilen Hühnerstall ist fideles Gegacker. Auf den Weiden tummeln sich Ziegen, Schafe und Kühe. In den Stallungen leben sich gerade zwei neue Esel ein. Ein paar Kita-Kinder spielen auf dem Hof, der Rest des Naturkindergartens ist wahrscheinlich auf Entdeckungstour im Wald. Im bunten Gemüsegarten leuchten rote Tomaten durchs Blattgrün. Heilkräuter wachsen im frisch angelegten Hildegard-von-Bingen-Garten. Da fährt ein Bus in die Auffahrt, und eine Traube von Grundschülern schwärmt auf den Hof. Die Verantwortlichen der Montessori-Schule blicken glücklich auf das Lern- und Erlebnisreich, das der Landauer Privatschule seit einem Jahr gehört.

Zuvor hatte die Stiftung Ökologie und Landbau mit Sitz in Bad Dürkheim den Lernbauernhof Gut Hohenberg betrieben. Da diese in finanzielle Schieflage geraten war, sah sie sich nicht mehr imstande, das Zuschussgeschäft – rund 100.000 Euro pro Jahr – weiter zu stemmen und beschloss, das Gut in Queichhambach zu verkaufen. Als die Landauer Schule davon erfuhr, wagte sie trotz schwieriger Corona-Zeit die Übernahme und erfüllte sich damit einen lang ersehnten Traum. Denn das Betreiben einer Farm ist ein zentrales Element der Montessori-Pädagogik, das auf drei Säulen fußt: Die Jugendlichen betreiben Landwirtschaft, vermarkten ihre Produkte und führen ein Gästehaus. So tragen sie den theoretischen Unterricht in die Praxis.

Umgesetzt werden soll dies Schritt für Schritt. Die Corona-Ruhe im vergangenen Jahr hat die Schule erst einmal dafür genutzt, das große Hofgebäude zu renovieren. Denn 15 Jahre Klassenfahrten und Seminaraufenthalte haben Spuren hinterlassen. Nun sind alle Holzböden abgeschliffen, alle Wände frisch gestrichen, neue Möbel haben Einzug gehalten. Wie etwa die Holzregale in den Badräumen, die in der schuleigenen Schreinerei vom Schulhandwerker zusammen mit den Kindern gebaut wurden. In der offenen Küche steht Florian Kunz vor einer großen Schüssel voll Möhren – natürlich aus eigenem Anbau. „Heute gibt’s Nudeln mit Zucchini-Tomatensoße, Karottensalat und Früchtequark“, verrät der 36-Jährige, der vor einer Woche die Stelle als Koch auf Gut Hohenberg angetreten hat. Nach einer klassischen Kochausbildung und -tätigkeit war er zuletzt Küchenchef in einer Behindertenwerkstatt. Als Frank Henigin, der Geschäftsführer des Trägervereins, auf ihn zugekommen sei, habe ihm das Konzept sofort imponiert. „Wir wollen die Schüler an allen Prozessschritten beteiligen“, erklärt er.

Und so ist wie überall auf dem Hof auch in der Küche Mitmachen angesagt. Da wird das Mittagessen zubereitet, Brot mit selbst angebautem Getreide gebacken, oder es werden Marmeladen eingekocht. Ein paar Gläschen finden sich schon draußen im neuen Hofladen. In dem urigen Holzhäuschen werden nach den Herbstferien Schüler hinter der Theke stehen und Kräutertees, Apfelringe, Walnussöl und Co. verkaufen. Alle Zutaten kommen natürlich vom Hof, von den Kinder selbst mitangebaut, geerntet, verarbeitet und bald eben auch vermarktet. Ein paar Meter neben dem Laden fällt der Blick auf einen Verkaufswagen. Der wird bald auf dem Landauer Schulgelände platziert, um auch dort die Bauernhofwaren anbieten zu können, und sicherlich auch mal auf dem ein oder anderen Markt, kündigt Henigin an. Auf der Suche ist die Schule noch nach einem Imker, der seine Bienenvölker auf dem Areal aufstellt und die Schüler in die Imkerei einführt.

Zudem habe die Schule den leerstehenden Laden neben der Bücherei Pyra in Annweiler angemietet, wo eine Dependance des Hofladens zeitgleich eröffnen soll. Die Schule möchte damit in der neuen Heimat Gesicht zeigen und zu starken Autoverkehr auf das Gut vermeiden. Denn nach der Übernahme hatten einige Queichhambacher Befürchtungen geäußert, dass mehr Verkehr und Lärm auf sie zukommen werde. „Wir wollen es uns nicht mit den Anwohnern verscherzen, sondern sind an einem guten Miteinander interessiert“, so Henigin.

Das gelte auch für die Zusammenarbeit mit dem Hofteam. Anfangs war ein wenig Sand im Getriebe, da die alten Mitarbeiter es lieber gesehen hätten, wenn die Stiftung eine Lösung gefunden hätte, den Hof zu halten. Sie hatten dafür auch ein Konzept erarbeitet, um das Gut wirtschaftlicher zu betreiben. „Wir sind immer wieder im Austausch. Und einige Ideen davon haben wir schon umgesetzt“, berichtet Schul-Projektleiterin Kerstin Wallinda. Und die vier Festangestellten seien ja auch geblieben, freut sich Henigin. „Im Leben gibt es immer Veränderungen. Ich habe mich total darauf eingelassen und sehe es sehr positiv“, sagt Hofleiter Dirk Sthamer. „Wir wollen nichts überstülpen. Und wir müssen als neuer Träger beweisen, dass wir eine Konstanz bieten“, hält Henigin fest. Das bedeutet für ihn auch, nicht sofort eine Diskussion über die Wirtschaftlichkeit des Hofs zu führen. Er denkt, dass die Schule den Hof mit den angestrebten Veränderungen mit einer schwarzen Null betreiben kann. Der inhaltliche Gewinn wiege aber mehr.

Kurz vor den Sommerferien konnte die Schule wieder mit Klassenaufenthalten anderer Schulen beginnen. Für das nächste halbe Jahr sei das Gut schon weitgehend ausgebucht. Zudem soll im Spätherbst mit dem Bau eines Übernachtungshauses für die Montessori-Schüler begonnen werden, damit diese nicht nur tageweise wie aktuell auf den Hof kommen, sondern regelmäßig ganze Wochen dort verbringen, um tiefer eingebunden werden zu können. Zu den 32 Betten im Haupthaus würden dann noch einmal etwa 60 hinzukommen, in einem Gebäude und möglicherweise auch in einer Jurte und in Holzfass-Hütten.

Den seit Jahren bestehenden Bauernhof-Wald-Kindergarten auf dem Gut, der seinen sperrigen Namen mittlerweile in Naturkindergarten geändert hat, führt die Montessori-Schule nach altem Konzept weiter, auch wenn sie in Landau ein eigenes Kinderhaus, also das Kita-Äquivalent in der Montessori-Pädagogik, betreibt. „Aber es gibt einen schönen Austausch zwischen den beiden Einrichtungen, freut sich Wallinda. Weiterhin ist das Gut auch Ausbildungsort für das landesweite Bauernhofpädagogik-Seminar. Und nach den Herbstferien steht ein buntes Seminarprogramm für Kinder und Erwachsene auf der Agenda, das öffentlich buchbar sein wird, kündigt die Projektleiterin an.

 

Quelle

Ausgabe Die Rheinpfalz Pfälzer Tageblatt – Nr. 208
Datum Mittwoch, den 8. September 2021
Seite 18